w
 

r

  

 


s
   
 

--------------------------------- Alkohol und andere Laster --------------------------------------------------------

 

 s

 

Seit wir in der Jugendstil Villa wohnen, trage ich goldene Ohrringe und seidene Kleider, in denen ich

Montags die Musiklehrerin erwarte. Jeden Freitag kutschiert der Chauffeur mich zum Reitunterricht,
 

während die kleineren Geschwister sich unter Aufsicht des Kindermädchens im türkisgekachelten

 

Pool tummeln. 

Pünktlich nach dem 4:00 Uhr Tee bespricht meine Mutter das Abendmenü mit der Köchin und das 
viel zu hübsche Dienstmädchen poliert verträumt das Tafelsilber.
Selbstverständlich sind wir Kinder längst in einem namhaften Schweizer Internat angemeldet.
 

Kurz gesagt, unser Leben wird vom Luxus regiert -- einziger Haken - der Lottogewinn lässt auf 

sich warten!
 

Was wie ein Erwachen aus einem kitschigen Traum klingt, war den ausschweifenden Tag -   

Träumereien meines Vaters entsprungen. Angetrunken entwarf er gern ein anderes Leben für uns, 
an das er tatsächlich glaubte. Von Woche zu Woche fieberte er seiner Krönung zum Lotto König 
entgegen, schwor auf seine Zahlen und je mehr er trank, je reicher wurden wir.
 
 

Anfangs hörte ich die Geschichten noch gern, später hingen sie mir zum Halse raus.

 

Gewinn hin oder her, was glaubte er, was aus einer Million alles rauszuholen ist?

 

Dabei hatte er seine Kehle nicht berücksichtigt, durch die dann auch ein edlerer Tropfen rinnen

 

müsste. Ein Millionär kann seinem Chauffeur schließlich keinen billigen Fusel anbieten!

h
***
 

Siehste woll da kimmt er

  lange Schritte nimmt er
 

siehste woll da kimmt er schon

  der versoffne Schwiegersohn
  sang meine Oma, wenn mein Vater nahte. Gern und laut!
  Ihm war das weder peinlich, noch litt er unter ihrem Spott. Er wusste, sie verabscheute ihn und
  krümmte keinen Finger, um das zu ändern.
  "Soll ich ihn etwa bewundern, weil er nichts Vernünftiges arbeitet und immer auf der Frau liegen
  will?" argumentierte sie. Ich fragte mich lange, warum er immer auf einer Frau liegen will und wer
  diese Frau wohl sein könnte, bis, na bis ich's eben wusste.
  Späteren Streitigkeiten zufoge, wollte er nicht immer nur auf der Frau liegen, sondern gern auch auf
  anderen Frauen. Behauptete meine Mutter, deren Beschuldigungen er stets genervt zurückwies.
Solange er nicht inflagranti erwischt wurde, war er nicht so blöd, eine Reue vorzutäuschen, die er 
nicht empfand. Seiner Erfahrung nach war auch das schönste Geständnis nicht in der Lage die Luft
zu reinigen. Im Gegenteil! Außerdem sah er in denen, die sich nach ihrer Beichte ehrlich, edel und
erleichtert fühlten, die wahren Egoisten. Wozu der Frau nachträglich Kummer machen?
s
Es gab tatsächlich eine Zeit, in der mein Vater das Vertrauen meiner Oma noch nicht verspielt  
  hatte. Sie glaubte an die dringlichen Geschäftsabschlüsse, die ihn in Ost Berlin erwarteten und
kaufte ihm einen neuen Anzug. Des besseren Eindrucks wegen, denn "Kleider machen Leute"! 
  Der Anzug verfehlte seine Wirkung nicht, allerdings anders als erwünscht.    
SSS
Geschäftlich konnte mein Vater nicht überzeugen, dafür beeindruckte sein weltmännisches  
Gehabe eine hübsche, junge Dame, in deren Armen es ihm gelang, seinen Misserfolg zu
vergessen. Er genoss das verbotene Glück und das Gefühl, die misstrauischen Augen meiner 
Mutter lächelnd ignorieren zu können. Und war beinahe enttäuscht, als sie nichts in Frage stellte.
SSS
Sie war zum vierten Mal schwanger und ihre Gedanken kreisten weit mehr um die nahende 
Entbindung, als um sein übersteigertes Libido! Sie hielt auch wenig von verfrühten Debatten
über die er/sie/es Namensfrage, doch als er sich für ein Mädchen den Namen Ursula wünschte, 
willigte sie ein. Und bekam tatsächlich ein Mädchen, welches sie Christel nannte, weil Frau 
Schäfer von gegenüber ihr 2 Wochen vorher stolz ihre kleine Ursula präsentiert hatte. 
SSS
Als Monate später ein Brief enthüllte, dass der zügelloser Gatte nicht nur seinen Misserfolg -
sondern auch die Verhütung in den Armen jener jungen Dame vergessen hatte, war meine Mutter   
bedient. Eine Ursula Anna hatte ihn als Vater ihres Sohnes Ulrich angegeben!  
Damit fing der "Drecksack"sich den Ärger seines Lebens ein. Der Fehltritt wurde irgendwann 
weggesteckt, den dreisten Namensvorschlag verzieh meine Mutter ihm nie.
 

Die Oma verzieh ihm sowieso nichts. "Hätte ich ihm keinen Anzug gekauft, hätte er mit nacktem

  Arsch und nackten Eiern in den Osten fahren können" hieß es immer mal wieder.
  Und das von meiner Oma, die so schöne Geschichten erzählen konnte! Aber so konnte sie eben 
  auch sein, manche hatte sie gefressen wie 10 Pfund Schmierseife, andere liebte sie wie ein
 

Geschwür am Hintern und ihn hätte sie am liebsten nackt in den Wind geschossen.

 

Um ihn mit Wohlwollen oder Humor betrachten zu können, war ihre Abneigung zu gefestigt.

 

Wagte er Kriegserlebnisse zu erwähnen, lachte sie höhnisch. "Was weiß dieser Deserteur vom 

 

Krieg? Was weiß er vom Schützengraben? Dieser Feigling hat sich doch nur gedrückt."  

 

Nachdem ich eine Vorstellung vom Krieg hatte, wunderte ich mich über ihre gnadenlose Kritik.

Später wurde mir klar, dass es um ihren gelieben Mann ging, der im selben Krieg gefallen war.

 

 

Er fiel:
  Obwohl er nicht an der Front war -  eine verirrten Granate erwischte ihm beim Zoll.  
  Obwohl das Kriegsende zum Greifen nahe war!
 

Obwohl er schön, stattlich und meinem Vater menschlich und in jeder erdenklichen Beziehung

 

haushoch überlegen war.

  Diese oder ähnliche Sätze hörte ich immer wieder. In ihren Augen starb ihr edler Held an Stelle  
 

meines minderwertigen Vaters. Sie besaß einen gesunden Menschenverstand und eine gewisse 

Weisheit. Sie lehrte mich früh, dass Not erfinderisch macht und der Glaube Berge versetzen 
kann, doch wenn die große Trauer sie umfing, konnte sie nicht anders, als auf meinem feigen,  
nichtsnutzigen Vater herumzutrampeln.    
***
Dabei hatte sie den ersten Schuldigen bereits in Hitler gefunden. 
  Als sie die Hiobsbotschaft erfuhr, soll sie ganz furchtbar getobt und ihn verflucht haben.
  Zu ihrem Glück zeigten die Überbringer Verständnis und hielten dicht. Das war in der Nähe
  von Kattowitz und wäre sie inhaftiert worden, hätte ich sie eventuell nie kennengelernt. Was
 

man nicht kennt, vermisst man nicht, gücklicherweise kannte ich sie von der ersten Stunde an!

 

Diese lebhafte, kleine Person, ohne die meine Kindheit um vieles ärmer gewesen wäre.

 

Außer 2 Töchter hatte meine Oma einen Sohn, den Onkel Fritz.
Altersmäßig lag er zwischen meiner Mutter und Tante Christa und muss bei seiner Hochzeit etwa
24 gewesen sein. Auf dem Hochzeitsfoto sieht er erbärmlich abgezehrt aus und schaut nicht 
ansatzweise so wohlgenährt in die Kamera wie mein Vater, der als pfiffiger Deserteur auch die
Kriegsgefangenschaft leichtfüßig überspringen konnte. 
Fritz wurde mit 16 eingezogen und als der Krieg vorbei war, musste die Oma noch 4 Jahre auf ein 
Lebenszeichen warten. Kein Wunder dass sie den Drückeberger – Schwiegersohn gefressen hatte, 
aber doch ein Glück, dass der verflixte Krieg ihr wenigstens den Sohn gelassen hat.

Erst sollte ich Blumen streuen, doch wie das Foto zeigt, habe ich Tante Dorotheas Schleppe 
getragen. Tante Christa steht, vermutlich als Stütze, an der Seite meines schwankenden Vaters, 
  meine Mutter hat das Foto geschossen und meine störrische Oma war nicht anwesend.
Weil sie die gesamte dörfliche Sippe nicht leiden konnte, verweigerte sie ihrem geliebten Sohn den 
Segen. Ihrem einzigen Sohn - aber damals war man nicht zimperlich - der Tod war zu lange 
allgegenwärtig und die Überlebenden schlitterten von einer Not in die andere. 
Für die kleine schmale Oma muss allein die jahrelange Arbeit im oberschlesischen Bergbau die  
Hölle gewesen sein; und jetzt besaß sie immer noch nicht mehr als ihren Lebensmut und ihren 
Eigensinn. So verbohrt, ihre Schwiegertochter weiter zu ignorieren, war sie dann aber doch nicht.
Besser die Frau tolerieren - als den Sohn verlieren! Klingt diplomatisch, wäre Dorothea ihr aber 
nicht sympathischer geworden, hätte ihr Eigensinn todsicher dazwischengefunkt. 
QQQ
Onkel Fritz erholte sich und fuhr mit einem riesigen gelben Postauto durch unsere Straßen.
Nach der Einschulung begegnete ich ihm öfter und durfte auch hin und wieder mit ihm mitfahren. 
Mitschüler, die das beobachteten,  fragten voll Ehrfurcht wer das wohl sei, bezweifelten aber, dass 
  dieser smarte Kerl mit dem tollen großen Auto mein Onkel sein könnte!  
Einen Groll auf die gesamte dörfliche Sippe hatte ich übrigens auch!
Nur bei mir war’s kein Vorurteil sondern Erfahrung.
Einige Kinder der Hochzeitgesellschaft rannten zur Fuhse, ein Fluss oder eher Flüsschen und ich
rannte mit. Dort stießen wir auf andere Kinder und während wir in den Fluss schauten, sagte eins
von ihnen: „Was will die denn, warum schmeißen wir sie nicht in den Bach?“ Geht nicht so leicht,
die sind bei uns auf Besuch“ entschudigte sich ein anderes Gör.  
„Na und“ hörte ich noch, sah mich um, blickte in ungerührte Gesichter mit stumpfen Augen und 
rannte los. Von dieser Meute konnte ich keine Gnade erwarten!
Als ich meine Mutter endlich wiederfand, ließ ich ihren Kleiderzipfel nicht mehr los.
*****
 

So unerbittlich meine Oma meinen Vater kritisierte, so liebevoll ging sie mit mir um. Bei ihr war es 

immer kuschelig und spannend. Meine jüngere Schwester Aia saß oft mit mir zu ihren Füßen, um
ihren, vom oberschlesischen Aberglauben geprägten, Erzählungen zu lauschen. Oft waren es
so schaurig-schöne, geheimnisumwitterte Geschichten, dass wir uns danach kaum über den Flur
  trauten. Und saßen am nächsten Tag doch wieder zu ihren Füßen!
 
Ihre Wohnung roch immer herrlich nach Kaffee! 
 

Ich liebte diesen Duft, die zierliche, hölzerne Kaffeemühle und das feierliches Ritual des Mahlens.

Für uns Kinder war Bohnenkaffee eine verbotene Frucht, doch irgendwann setzte sich Marta 
(so hieß sie) darüber hinweg. Mit den Worten: "Bevor du einen schiefen Mund bekommst"
 

erlaubte sie mir den ersten Schluck von ihrem Zaubertrank!

Meine Mutter hätte protestiert, aber so weit ließen wir es nicht kommen.Wer Spaß haben will,  
 

fragt nicht die Spaßbremse um Erlaubnis. Jedenfalls nicht, solange ihr das Verständnis für

 

Düfte und Rituale fehlt und sie mit ihrem Muckefuck und Lindenblütentee glücklich ist.

 

Mein Vater rührte so etwas prinzipiell nicht an, wie hoch er aber Rituale und Düfte schätzte,   

 

bewies er bei jeder Weinflasche, die er entkorkte.

   n
 

Nachdem ich meine Lehre beendet hatte, war ich endlich in der Lage, die Kaffee Versorgung 

 

zu übernehmen. Die Oma sollte bis ans Lebensende kein einziges Paket mehr kaufen müssen.

  Das war ich ihr für die zigtausend kleinen Schlückchen aus ihrer duftenden Tasse schuldig. 
 

Zwei Jahre später starb sie und ich fühlte mich vom Schicksal betrogen.

  Gern hätte ich ihr noch viele weitere Jahre ihren Lieblingskaffee in die Hand gedrückt.
 

************************************

 
  Um  meinen Vater nicht völlig nutz- und wertlos erscheinen zu lassen, darf ich seinen scharfen 
  Verstand und seine künstlerische Begabung nicht verschweigen. Er malte Porträts und  
Landschaftsbilder die er sofort verkaufte, oder zeichnete Szenen auf Bar- und Diskothek-   
  Wänden. 
  Bei größeren Wandmalereien, die sich über mehrere Wochen hinstreckten, kam ich ins Spiel
  und ging, anstatt zur Schule mit Papa zur Arbeit. Er als Künstler, ich als Putzkraft, Tapeten-
Abreißerin und Leichtsinnsbremse. Es machte mir sogar Spaß, doch der Höhepunkt war der 
  Material-Einkauf in einem Farbengeschäft mit Drogerie Bedarf und einer himmlischen 
 

Süßwarenecke. 

Mein charmanter Vater hatte die nette Verkäuferin bereits so weit, getürkte Rechnungen zu 
 

schreiben und ich durfte nach Herzenslust bei Schokolade und Keksen zugreifen. Auch er  

 

gönnte sich allerlei und freute sich diebisch, dass unsere Naschereien unter Tapeten und 

  Terpentin auf dem Konto seines Auftraggebers landeten.
Die Rache des unterbezahlen Künstlers - doch warum ließ sich die Verkäuferin darauf ein? 
Wie auch immer - mich hat sie wunschlos glücklich gemacht!
   
Um die Wahrheit nicht zu beugen, müssen auch die unschönen Eskapaden und unsere Furcht
vor den Gewaltausbrüchen unseres Vaters erwähnt werden. Nüchtern passierte wenig, doch  
wann war er nüchtern?  
Die Faxen des albernen Angeheiterten -
die Unberechenbarkeit des aggressiven Randalierers -
die Peinlichkeit des Volltrunkenen -  haben sich mir tiefer ins Gedächtnis gegraben als die
zitternden Hände des Nüchternen.
n
Im Umgang mit ihm habe ich Diplomatie, Psychologie und Schauspielerei gelernt.
  Das alles musste ich spätestens abends, wenn der unangenehme Teil kam, einsetzen. Da ich
den Durstenden nicht an seiner Stammkneipe vorbeilotsen konnte, ging ich mit, täuschte bald    
  rasende Kopfschmerzen vor und hob das zum verspielen gedachte Geld für meine Mutter auf.
  Mit beharrlicher Geduld gelang es mir fast immer, ihn mit gefüllter Brieftasche zuhause
   abzuliefern,  
  Sauer wurde ich erst, wenn meine Mutter einen Aufstand wegen seiner Alkoholfahne machte.    
  Sofort ergriff er die Chance, dort hin zu flüchten, wo er eh lieber geblieben wäre. Jetzt wurde    
  fast alles verjubelt, er kam spät nachts zurück und dann (Angriff ist die beste Verteidigung) 
  klirrten die Scheiben und er machte sie rund.
Da war es wieder, das Ungeheuer, das uns aus dem Schlaf riss und uns panische Angst einjagte.  
 

In solchen Momenten hassten wir Kinder ihn! Meine Entscheidung, ihn für eingeschränkt

verantwortlich zu halten, half mir, meinen Hass nicht zu lange lodern zu lassen.  
Was war von einem notorischen Alkoholiker anderes zu erwarten?
  Meiner Mutter nahm ich ihre Impulsivität allerdings übel.
Wozu hält sie mich von der Schule fern, wenn sie den Erfolg meiner Mühen mit Füßen tritt?
 

Ich war das Kind und die beiden benahmen sich wie die Kinder.

 

Dass mein Vater seinen Zechkumpanen stolz meine Zeugnisse zeigte, fand ich genau so kindisch  

 

und dachte: Was hast du denn dazu beigetragen? Meine Zensuren habe ich nicht deinetwegen 

  

sondern trotz deinetwegen. Aber sein Stolz galt auch weniger mir, als seinen Genen, die er da 

durchschimmern sah.
***
  Als 12jährige hatte ich einen Job bei den Wolfs im alten Dorf. 
Mein Vater hatte ihn vermittelt - und da ich nur nachmittags gebraucht wurde, musste ich nicht
einmal die Schule schwänzen. Die "Gaststätte am Thieberg" bestand aus einem riesigen 
Kneipenraum, einer florierenden Küche, unzähligen Fremdenzimmern und einem Hinterzimmer.
In dem ein gigantischer Fernseher stand, auf dem ich an einem Regentag die Dreigroschenoper
sehen durfte. 
Brecht war mir damals noch kein Begriff, machte mich aber ziemlich glücklich!
Der mürrische  Regent des Familienbetriebs, Wilhelm Wolf war, trotz der Figur eines Brummkreisels, 
allgegenwärtig, seine bescheidene Frau, Guste, hatte ihren Platz in der Küche und die hübsche, 
wasserstoffblonde Tochter, Erika, schmiss im winzigen, weißen Kellnerinnenschürzchen den Bar- 
und Kneipenbetrieb. Erika war 33, meistens lieb und selten nüchtern.
Ihr Gesicht war vom Alkohol bereits etwas aufgedunsen, was die vorwiegend männlichen Gäste 
nicht davon abhielt, sie wie eine Königin anzuschmachten. Meine Mutter hatte meinem Vater
längst eine Affäre mit ihr nachgesagt, die ich für absolut möglich hielt. Mitunter hatte er dort 
wochenlang zu tun - es gab immer etwas zu malen, und vor allen Dingen - immer genügend
zu trinken. Warum sollten zwei lustbetonte Charaktere, für die Zurückhaltung nie eine 
Option war, der Versuchung im Alkoholrausch widerstehen?  Die Vertrautheit zwischen ihnen 
sprach Bände - ich hätte meiner Mutter jedenfalls nichts Beruhigendes berichten können.
Aber sie wusste ja Bescheid! 
Trotz ihrer Eifersüchteleien machte sie sich wenig Illusionernrund um die Missetaten ihrer 
schlechteren Hälfte. "Er ist ein Hurenbock, ein Zocker und ein Säufer, ungewiss ist nur, welches
seiner Laster er gerade besonders genießt", stellte sie einmal lakonisch fest.
***
In einer Pause trank ich eine Sinalco neben meinem Vater am Tresen, während er sich angeregt  
mit einem jungen Mann unterhielt. Meine Gedanken waren ganz woanders, bis ich "Das ist deine   
Tochter? Wenn sie 16 ist, stehe ich vor deiner Tür!" aufschnappte. Mein vorlauter Einwurf:   
"Dann dürfen Sie aber nicht so viel trinken" machte meinen Vater richtig böse! 
"Das ist doch der Conny von der Futtermühle! Einer der feinsten und reichsten jungen Männer  
des Ortes! Der Traum jedes Schwiegervaters," ließ er mich später wissen.
Aber wenn das Bier ihm jetzt schon tagsüber schmeckt, wird er in 4 Jahren schwankend vor
der Tür stehen, dachte ich, wagte aber nichts mehr zu sagen. 
nnnnn
Meine Küchenarbeit belohnte der kugelrunde Wilhelm mit 50 Pfennig, auch zur damaligen
Zeit eine himmelschreiende Beleidigung! Immerhin bekam ich etwas zu essen, doch wegen seines  
Geizes konnte ich meine Geschwister nie mit einem riesigen Kuchenpaket überraschen. 
Als Verdienerin hatte ich mir das anders vorgestellt, um sie wenigstens mit Eierkuchen zu versorgen,
stibitzte ich beim Rausgehen 2 - 3 Eier aus dem enormen Kühlschrank.
Seltsam, ich hätte trotz größtem Hunger nie etwas gestohlen, doch hier hatte ich nicht einmal ein
schlechtes Gewissen. Ich habe es auch nie übertrieben und irgendwann hatte sowieso niemand in
unserer Familie noch Lust auf Eierkuchen.. 
Von den dienstbaren Geistern rund um den Kühlschrank ist mir eine 50jährige Alwine als Ober -  
Küchenfee und Verlobte von einem Schorsch im Gedächtnis geblieben. Schorsch trieb sich dort 
ohne erkennbare Funktion herum und beide waren starke Alkoholiker. Er beleibt - sie spindeldürr!
***
Inzwischen hatte ich mehr Betten bezogen, als Teller gewaschen und mein Lohn hatte sich 
verdreifacht. War immer noch nah an nichts, doch manchmal steckte Erika mir etwas zu.
Eines Nachmittags, als ich wieder von Zimmer zu Zimmer eilte, lag Alwines Schorsch in einem  
der Betten. Ich zuckte zurück, doch er bat mich hinein, da ich ihm etwas besorgen sollte. 
Ich schwankte zwischen Gehorsam und einem unguten Gefühl.
"Bringen Sie das Geld raus"schlug ich vor.
"Das ist doch albern, warum soll ich mich extra anziehen? Wir kennen uns doch!" 
entgegnete er beschwichtigend mit leicht genervtem Unterton. 
Muss ich höflich bleiben, weil er ein Freund des Hauses ist? fragte ich mich, bis sein  
verschwitztes Gesicht mich endgültig vom Gegenteil überzeugte und ich Fersengeld gab.
Als 2 Jahr später alles und jeder entsetzt war, weil der Schorsch Möhring wegen Vergewaltigung
eines 13jährigen Mädchens in den Knast wanderte, war ich nicht überrascht. Ich war längst nicht 
mehr bei Wolf und erfuhr es von meinem Vater. Seltsamerweise sprach ich nie über meine 
bedrohliche Begegnung mit diesem Vergewaltiger, sondern bedankte mich nur leise bei meinem
Instinkt.
*****
Schorsch war übrigens nicht der erste Kinderschänder, mit dem ich fertig werden musste.   
Dass Männer sich nicht genieren, ihre Hand im Slip eines Mädchens verschwinden zu lassen,
erfuhr ich schon als Vierjährige.
Bei mir war es Onkel Emil!
Kein richtiger Onkel sondern ein Ingenieur auf Montage, der bei meiner Oma und Tante Christa
wohnte. Christa war gerade mal 18 und blind in ihn verschossen, er war mindestens doppelt
so alt und nicht halb so verschossen. Er verschwand wie er kam, doch nicht ohne ihr etwas
zu hinterlassen. Manche hätte ihn verflucht, Tante Christa nahm das Geschenk dankend
an und so hatte ich plötzlich einen kleinen Cousin. Sie nannten ihn Hansi und verhätschelten 
ihn wie ein echtes Geschenk Gottes. Tante Christa war närrisch, die Oma war närrisch und   
ich war froh, Emil nicht verpetzt zu haben. 
Möglicherweise hätte es dann keinen Hansi gegeben. 
Zum Glück empfand ich den Übergriff eher als peinlichen Moment als ein traumatisches
Erlebnis. Es fing natürlich harmlos an! Der liebe Onkel brachte mir Englisch zählen bei und 
als ich es konnte, belohnte er mich mit 50 Pfennig. Am nächsten Tag wurde ich abgefragt, 
musste neue Zahlen lernen und bekam die nächsten 50 Pfennig. Am dritten Tag passierte    
nichts und am vierten Tag ließ er unvermutet seine Pranke in meinen Slip gleiten. 
Ich wand mich wie ein Aal bis die Hand sich endlich entfernte. Danach schenkte er mir 
wieder 50 Pfennig!
Etwa als Schweigegeld? Oder um sich notfalls mit: "Die kleine Nutte hat mich verführt! 
Sie soll zugeben, dass sie Geld genommen hat." rauszureden?
Mir war klar, ich würde schweigen um Tante Christa nicht traurig zu machen. Was das 
auslösen würde, begriff ich auch als Vierjährige. Ich fühlte mich aber nicht schutzlos und 
schon gar nicht wie Emils Komplizin. Ich wusste er war ein Mistkerl, mit dem ich nie 
wieder allein sein durfte.
Wie sich herausstellte, hatte Emil Gerstner außer Hansi (fast zeitgleich in einer anderen Stadt) 
ein Mädchen gezeugt und für beide Kinder die Alimente bis zum 18. Lebensjahr bei den Ämtern
hinterlegt. Damit war das Thema für ihn erledigt! Da reist so ein Frauenschwängerndes
Ungeheuer um die Welt, interessiert sich einen Dreck für diese Kinder und zahlt ein Minimum 
ihres Lebensunterhalts lässig aus der Portokasse! Ich glaube nicht, dass die damaligen Ämter 
ihm vorgerechnet haben, was ein Kind in 10 Jahren kosten wird und dass er eventuell ein 
Studium finanzieren müsse. Sie nahmen was sie kriegen konnten und er war frei, sein  
menschenverachtendes Treiben fortzusetzen. 
Hansi hat ihn nie getroffen und ich hoffe, auch nicht vermisst! 
***
Das einzige Laster, das Emil nicht zu haben schien, war der Alkohol! 
  Aber das hatten ja schon all die anderen. Auch die Brüder meines Vaters waren  
gewissenhafte Trinker und deren Vater sowieso. Bis auf Onkel Horst waren aber alle 
  friedlich und gingen regelmäßigen Arbeiten nach.
 

In meiner Erinnerung ist er lieb und herzlich, nur sein Ruf war ein anderer. Als jüngster 

 

lebte er noch zuhause und wenn sie abends tranken und stritten, kam schon mal die Polizei.

 

Dann zeigte Horst seine berühmte Schleudernummer. 4 bis 5 Polizisten sollen nur so über 

  die Straße geflogen sein. Klar, groß und stark war er schon! Schnell war die Straße 'Am  
  Oppernkamp' genauso berüchtigt wie er und die Polizisten weigerten sich dort hinzufahren.
   
  Kein Wunder dass Horst oft vor Gericht stand, aber auch da pfiff er auf  die reumütige Geste.
  Als ihm wieder mal 3 Monate aufgebrummt wurden, sagte er lässig:
  "Die sitze ich mit der linken Arschbacke auf der Rasierklinge ab! und schwupps durfte er   
  6 Monate auf der Rasierklinge sitzen.
   n
  Seine Verwandten kann sich keiner aussuchen, warum auch?  
 

Wenn meine Mutter protzte, welch wundervolle, begüterte Männer mit herrlichen Villen sie

 

meines Vaters wegen, verschmäht hatte, war ich voll des Bedauerns. Ach Mama, wär das schön!

  Aber schon bald begriff ich, dass keiner dieser Herren mich gezeugt hätte.  
  Die Ehe hätte kinderlos bleiben können  - doch selbst bei 7 Kindern wären wir 7 es nicht gewesen.
 
  Welch ein Glück, dass der "Suffkopp" ihr besser gefiel und wie gut, dass er gern auf der Frau lag. 
 

S                                                              hhAhondissa
 

 home vvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvzurück